Mittwoch, 28. März 2012

Ein unmoralisches Angebot

Stellen Sie sich vor, dass Sie etwas haben oder können, was andere auch gerne hätten. Das ist ja noch leicht. Doch wenn diese "Anderen" ein Angebot machen, welches unweigerlich zum Ende Ihres Könnens oder eher des Produktes führen könnte wird es schwierig. Pokern und verkaufen oder auf das Angebot verzichten und selbst ,auch mit allen bekannten und kommenden Schwierigkeiten, weitermachen? Wie würden Sie reagieren?

Linus' schwerste Entscheidung - Kill Linux
Besonders schwierig ist diese Entscheidung, wenn Sie ein freies und kostenloses Produkt haben, welches durch die "Anderen" dem Kommerz zugeführt werden soll um Sie aus dem Markt zu drängen und die Nutzer den kommerziellen Dienst aufzuschwatzen.

Genau vor dieser Entscheidung stand Linus Torvalds, der Urvater des Linux-Betriebssystems, zum Anfang dieses Jahrtausends als keine anderen als die von Apple kamen und nach seinen Diensten fragten.
Wie schon länger bekannt ist, basiert auch Apples Betriebssystem OSx auf Basis des Linux-Kernels, welcher allerdings von Apple geschlossen wurde. Veränderungen am Kernel kommen nur noch durch Apple selbst und die Basis des Betriebssystems steht nur sehr wenigen Programmierern offen.

Kein geringerer als Steve Jobs persönlich lud Linus Torvalds nach Cuppertino ein um ihn ein unmoralisches Angebot zu machen. "Arbeite für uns. Mache den Kernel zu dem unseren und verdiene dir mit und als Teil von Apple eine goldene Nase."

Kein schlechtes Angebot, oder?
Die Weiterentwicklung von Linux sollte dadurch gestoppt bzw. direkt in den Apple-Konzern integriert werden. Die unweigerliche Folge dieses Angebotes: Es hätte nie ein Ubuntu, Mint, Android oder ChromeOS gegeben. Jedenfalls nicht so, wie wir es heute kennen. Schon damals wusste Jobs, welche Gefahr für ihn von dieser freien Software ausgeht und sein Krieg gegen Google hatte damals noch nichteinmal richtig begonnen. Zudem wäre eine ganze, und damals schon recht starke und aktive, Community nie entstanden. Ein ganzes Geschäftssystem, die Entwicklung freier Softwareelemente, die Verbesserung der Haptik und Kinetik der bestehenden Software und auch die Implementierung von verschiedenster Hardware in diese Software hätte niemals stattgefunden.

Doch Linus wusste damals schon, weit in die Zukunft zu blicken und die Gefahren solcher Übernahmen einzuschätzen. Apple wäre, neben Microsoft in Redmond, zweitgrößter Software-Hersteller geworden. Die ganz große Gefahr daran, die auch Linus erkannte, war die Möglichkeit eines Preisdiktats. Beide hätten theoretisch machen können, was sie wollten. "Ihr wollt unsere Computer? Dann zahlt auch ordentlich dafür!"  Die bestehenden Linux-Systeme hätten ihre Halbwertzeit erheblich eingebüßt und spätestens 2007 hätte es nur noch MS und OS gegeben. Natürlich muss man selbst, so man sich über so ein Spiel auch Gedanken macht, auch daran denken, dass immer die Frage im Raum steht: "Wie lange brauchen mich diejenigen, die mich gerade einkaufen."
Linus tat mit Sicherheit nicht die leichteste Entscheidung in seinem Leben und lehnte ab.

Letztlich führte diese Absage zu dem Hard- und Softwaregefüge, wie wir es heute kennen. Der Linux-Kernel ist noch weiter verbreitet als vor 12 Jahren und freie Betriebssysteme buhlen mit wechselndem Erfolg um eine Fangemeinde ohne natürlich immer den Fokus auf die käuflichen Systeme zu haben und deren Funktionen in gewisser Weise  zu übernehmen. Android und ChromeOS, beide Eigentum von Google und trotzdem offene Software und auch Linuxsysteme wie Ubuntu, Mint, Fedora und wie sie alle heissen, machen Jagd auf Funktionen und technische Partner aus der Wirtschaft. Mit Ubuntu und dem Plan des Ubuntu-Phones wird auch Linux in die Smartphonewelt einsteigen und nunmehr ist auch ein Tablet-PC Namens Vivaldi mit Ubuntu KDE erhältlich.

Einiges wäre anders geworden, hätte Linus Torvalds damals zugesagt.
Vielleicht würden die Kids heute nicht so lange vor dem Rechner sitzen. Vielleicht gäbe es 50% weniger Computer auf der Welt. Vielleicht wären Ressourcen der Welt stärker geschont worden und die Kinder würden mehr Vogelnamen kennen anstatt die Bezeichnungen aller Pokemon-Fantasie-Figuren. Vielleicht gäbe es wirklich nur noch 3 Handymarken und Motorola hätte nicht so lange überlebt?
Was wäre wenn? Fragen, die sich wohl unendlich fortsetzen ließen.
Gerade als innerlicher Verfechter von Marktführern schüttelt man gerade auf dem Mobilfunksektor nur noch den Kopf. 5 verschiedene Betriebssysteme, 10 Markenhersteller, jeweils 40 verschiedene Geräte. Da ist die Apple 1-Gerät-je-Bereich-Strategie fast schon ein Segen. Oder doch nicht? Wir wissen es nicht und werden es auch nie erfahren.
Aber es ist immer ein Grund, auch mal über soetwas nachzudenken.

//O.F.